Christoph Becker, am 13. Februar führt das Kunsthaus Zürich einen Dada-Kostümball durch. Wird das Kunsthaus nun zur Eventagentur? Christoph Becker: In den 20er-70er Jahren fanden in Zürich, wie mir von vielen Seiten erzählt wurde, viele Kostümbälle statt. Willy Wottreng hat darüber sogar ein Buch veröffentlich „Einmal richtig spinnen können. Der legendäre Künstler-Maskenball in Zürich“. Diese Tradition wollen wir wieder aufblühen lassen. Als Thema wählten wir Dada, nicht nur wegen des 100-jährigen Jubiläums, welches die Kunstbewegung dieses Jahr feiert, sondern auch weil es eine grenzenlose Kreativität zulässt. Dada kennt keine Grenzen. Es braucht Mut, sich zu kostümieren und man kann für einen Abend in eine andere Rolle schlüpfen. Wir wünschen uns eine Kostümbewegung und fordern die Leute zum Tanz auf.
Was gefällt Ihnen persönlich an der Dada Bewegung?
Dada ist kunsthistorisch gesehen der Beginn der Aktionskunst. Bevor dann die Aktionskünstler eine internationale Bewegung daraus gemacht haben. Dada ist nicht nur eine statische Kunstform, die Dadaisten richteten ihre künstlerischen Äusserungen an unbestimmten Orten an ein undefiniertes Zielpublikum, sie produzierten und reproduzierten direkt vor dem Publikum. Es gab vorerst kein Regelwerk und alles wirkte eigenwillig, surreal und etwas subversiv.
Haben Sie sich mit dem Direktor des Cabaret Voltaires, Adrian Notz kurzgeschlossen?
Wir haben sehr früh mit Adrian Notz Gespräche geführt und uns über das Jubiläumsjahr ausgetauscht. Daraus entstand bei uns die Pop Up Idee des Dada-Kostümballs am 13. Februar.
Was war die Herausforderung bei der Planung des Kostümballs?
Das Thema war schnell gefunden und die Eventlocation besitzen wir sowieso. Die Finanzierung war unsere grosse Herausforderung. Wir suchten und fanden Sponsoren, die diesen Dada-Kostümball mitfinanzieren.
Will das Kunsthaus nun eine Party Location werden?
Das Kunsthaus wird seit Jahren für viele Events gebucht. Die verschiedenen Räumlichkeiten sind für gesellschaftliche Ereignisse bestens geeignet. Die vergangenen Veranstaltungen waren immer mit Kunst verknüpft, hatten also ein klares Profil. Mit dem Ball öffnen wir uns, wie Dada, einer undefinierten Zielgruppe. Wir waren und sind sehr erfahrene Gastgeber und wir besitzen ein ausgewiesenes Eventteam. Darum glauben wir, dass wir einen tollen Kostümball durchführen werden.
Was für Kostüme erwarten Sie an diesem Abend? Erwarten Sie auch Nackte – wie damals am Monte Verita? Weisen Sie nicht kostümierte ab?
Ich erwarte alles und nichts. Ich wünsche mir einfach viele kreative und mutige Menschen. Wir werden bei der Kostümprämierung um Mitternacht ja dann sehen, ob Nackte dabei sind. (Lacht) Und nein, wir weisen niemanden ab, alle dürfen sich bei uns bewegen und tanzen. Im Übrigen kann man sich vor Ort noch kostümieren, das wäre natürlich super.
Wie ist die Jury zusammengestellt?
Die Jury bildet sich erst am Abend, da wir uns im Vorfeld nicht festlegen wollen.
Was für ein Kostüm werden Sie tragen?
Das ist eine Überraschung. Schauen wir mal, wie mutig ich bin! Ich würde mich eigentliche gerne so kostümieren, dass man mich nicht erkennt, aber ich bin am Abend der Zeremonienmeister und da werde ich unweigerlich erkannt.
Gibt es Dada Musik zu hören oder dadaistische Performances zu sehen?
Wir haben diverse musikalische und künstlerische Höhepunkte. Ob man die unter Dada abbuchen kann, müssten Sie schon die Künstlerinnen und Künstler fragen. Es sind aber sicher nicht alltägliche Acts. So bieten Les Reines Prochaines (Michèle Fuchs, Fränzi Madörin, Muda Mathis, Sus Zwick) eine rasanten Mischung aus Performance, bildender Kunst und Musik voller Pathos, Ernst und Ironie. Die fünfköpfige Partyband Jessy Howe & The Rhythm Cobras lädt danach zum Tanz und die DJs Lexx, Untitled Campolongo und David Suivez sorgen auf zwei Dancefloors mit Disco und House Sound dafür, dass auch in den Konzertpausen niemand sitzen bleibt.
Stellen Sie auch einige Dada Kunstwerke am Ball aus?
Nein, das wäre riskant, denn die Werke sind zu fragil. Ich verweise die Dada Interessierten gerne auf die Dada Soirée im Juni im Kaufleuten und die Dadaglobe Reconstructed vom 5. Februar bis 1. Mai 2016 im Kunsthaus.
In der Geburtstäte des Dadaismus, dem Cabaret Voltaire sind in der Krypta im Dada-Himmel die 165 Dadaisten verewigt, wen würden Sie am liebsten an Ihrem Ball treffen und warum?
Eigentlich niemanden, zumal diese Dadaisten verstorben sind. Ich freue mich auf Dada Anhänger der Neuzeit.
Wer sind denn die «lebenden» Dadaisten?
Die, welche Dada mitbegründet haben, sind alle verstorben. Und wer sind lebende Dadaisten? Das ist eine Definitionssache und ich glaube, dass sie nicht so einfach zu erkennen sind. Es gibt sicher Kunstschaffende, die egozentrisch, eigen oder skurril sind aber ob die dann historisch gesehen als Dadaisten bezeichnet werden können, sei dahin gestellt. Skurrilität ist noch lange nicht Dada.
Wie viele Dada Werke besitzt das Kunsthaus?
Das Kunsthaus Zürich hat sich erst in den 70er Jahren dem Thema Dada angenommen – war also ein Spätzünder – und die 1. Ausstellung war sogar erst 1982. Wir besitzen jedoch eine reichhaltige Sammlung von 24 Gemälde und Skulpturen, 180 Grafische Werke und 550 weitere Arbeiten auf Papier wie Bücher, Zeitschriften, Handzettel, Einladungen und Traktate. Im internationalen Vergleich ist das eine wertvolle und wichtige Sammlung.
Ist Dada so wichtig, dass sie nun alle Werke digitalisieren? Was erhoffen Sie sich davon?
Das hat einen ganz pragmatischen Grund. Die Dadaisten waren meist mittellose Künstlerinnen und Künstler und die Werke entstanden aus allen möglichen und unmöglichen günstigen Materialien. Der Zerfall einiger Werke ist fast schon vorprogrammiert. Wir tragen damit zum Erhalt der Werke bei und erhoffen uns, dank der Digitalisierung natürlich auch eine höhere und schnellere Verbreitung.
Christoph Becker, herzlichen Dank für das Gespräch
Christoph Becker ist seit 15 Jahren Direktor des Kunsthauses in Zürich und organisiert am 13. Februar 2016 einen Dada Kostümball. Das Gespräch mit Christoph Becker hat Ingrid Notter geführt.
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