Wer selbst Events organisiert, hat sich bestimmt schon gefragt: Was, wenn etwas schiefgeht? Adrian Zemp von der Stadtpolizei Zürich erzählt, wie man sich bei Grossanlässen am besten auf gefährliche Szenarien wie Menschenmengen, Schlägereien, alkoholisierte Besucher und Terrorismus vorbereitet und welche Verantwortung dabei die Veranstalter tragen.
Adrian Zemp, auf welche Sicherheitsaspekte muss man bei Events mit grossen Menschenmengen achten? Adrian Zemp: Die Veranstalter müssen die Grösse und die maximale Belegungskapazität des Festareales kennen, damit ausreichend Platz und Verkehrsfläche für die Besucher eingerechnet werden kann. Mittels Ticketing oder Zutrittszählung kann die Anzahl und Verteilung der Besucher kontrolliert werden, um eine Überfüllung des Geländes zu verhindern. Bei nicht abgesperrten Anlässen müssen die Besucherströme laufend überwacht werden. Neben gut sichtbaren Fluchtwegen müssen zudem zwingend Szenarien, Dispositive oder Notfallpläne vorhanden sein.
Wie geht man als Veranstalter am besten mit den möglichen Risiken um?
Jede Veranstaltung bringt individuelle Risiken mit sich und dessen müssen sich Organisatoren bewusst sein. In einem frühen Stadium der Planung muss deshalb eine Risikoanalyse vorgenommen werden, um potentielle Probleme früh zu erkennen. So werden alle erdenklichen Risiken inklusive Eintritts-Wahrscheinlichkeit und Schadensausmass erfasst und ausgewertet. Lassen sich Risiken auch durch umfangreiche Massnahmen nicht ausschliessen oder massgeblich vermindern, muss man prüfen, ob die Veranstaltung überhaupt durchgeführt werden kann.
Welche Massnahmen kann man als Veranstalter vor und während dem Event treffen, um auf Notfälle vorbereitet zu sein?
Um die Bewilligung für eine Veranstaltung zu erhalten, müssen Organisatoren heutzutage oft ein Sicherheitskonzept vorlegen. Kern des Konzepts bilden die Risikoanalyse und die Massnahmen, welche zur Sicherheit von Besuchern und Mitarbeitern ergriffen werden. Massnahmen wie der Abschluss einer Versicherung oder eines Wetterabos sind einfach umgesetzt. Das Erstellen eines Sicherheitskonzepts, die Planung des Sicherheits- und Ordnungsdienstes sowie der Abbruch einer Veranstaltung setzten jedoch Fachkenntnisse voraus. Oft werden solche Aufgaben auch an professionelle Anbieter aus der Sicherheitsbranche übergeben.
Wie haben sich Veranstalter im Krisenfall zu verhalten?
Um schnell Entscheide treffen zu können, müssen Verantwortung und Kompetenzen im Voraus klar kommuniziert werden. Meist wird ein Sicherheitsstab definiert, der im Krisenfall schnell zusammen kommt und entscheidet, welche Massnahmen ergriffen und welche Szenarien ausgelöst werden. Solche Szenarien sollte man vorbereiten und darin beschreiben, wer wann, was, wie und wo machen muss. So kann in Notfällen Zeit gespart und unnötige Diskussionen verhindert werden.
Haben sich die Sicherheitsrisiken in den letzten Jahren verändert?
Vor allem die Besucher ändern sich: früher kamen die Besucher von Grossveranstaltungen nur aus dem Ort oder der näheren Umgebung, heutzutage strömen sie aus der ganzen Schweiz und dem benachbarten Ausland herbei. So nimmt bei der gleichen Veranstaltungsfläche die Besucherdichte zu, wenn keine Massnahmen ergriffen werden. Aber auch die Ansprüche und das Verhalten der Besucher haben sich verändert, was mit neuen Sicherheitsrisiken einhergeht.
Wie geht man mit aggressiven Teilnehmern um?
Mit betrunkenen und aggressiven Besuchern muss man bei fast jeder Veranstaltung rechnen. Der Veranstalter ist für die Sicherheit auf dem Festgelände verantwortlich und muss Massnahmen treffen, um Störenfriede von den restlichen Besuchern zu trennen und der Polizei zu übergeben. Bei geschlossenen Veranstaltungen können die störenden Personen von der Veranstaltung ausgeschlossen werden.
Gibt es eine Möglichkeit sich als Veranstalter gegen Terrorismus zu schützen?
Da sind die Veranstalter auf die Lageeinschätzung der zuständigen Polizei angewiesen. Es empfiehlt sich daher - auch für andere Fragestellungen – Kontakt mit der örtlichen Polizei aufzunehmen.
Welche Verantwortung trägt der Veranstalter?
Er ist für die Sicherheit der Besucher zuständig und hat dafür die gesetzlichen Vorgaben und Auflagen der Behörden einzuhalten. Der Veranstalter ist aber nicht für alles verantwortlich, deshalb sollte man mit den zuständigen Blaulicht-Organisationen Schnittstellen und Verantwortlichkeiten klären. Wichtig ist auch, wer im Krisenfall die Kommunikation übernimmt.
Wer haftet in einem Schadensfall, wenn sich z.B. jemand an einem Event verletzt?
Hier kommt die Schuldfrage auf. Bei schweren Fällen wird in Strafuntersuchungen geklärt, ob der Veranstalter gegen Gesetze, Auflagen, Vorgaben oder Normen verstossen hat. Die Besucher selbst tragen aber natürlich auch eine Eigenverantwortung.
Und zum Abschluss: wie sollte man sich als Eventteilnehmer in grossen Menschenmengen benehmen?
Auf das Bauchgefühl hören, gesunden Menschenverstand walten lassen und grosses Gedränge nach Möglichkeit meiden. Gerät man trotzdem in kritische Besucherdichten, muss man die Ruhe bewahren, denn in der Regel verteilt sich die Menge nach einer Weile von selbst wieder.
Herzlichen Dank für das aufklärende und interessante Gespräch, Adrian Zemp.
Seit 2013 leitet Adrian Zemp die von ihm gegründete Fachstelle "Crowdmanagement" bei der Stadtpolizei Zürich. Die Fachstelle ist für systematische Planung, Überwachung und Lenkung von Besucherströmen bei Grossveranstaltungen in der Stadt Zürich verantwortlich. Adrian Zemp ist seit 1990 im Polizeibereich tätig und arbeitet zusätzlich zum Crowdmanagement als stellvertretender Chef des Kommissariats Lagezentrum und Operationen.
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